ÖkoLinX-ARL: PDS und BFF, Hartz IV


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Reden von Jutta Ditfurth
im Frankfurter Römer
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Ökologische Linke

Diese Rede im PDF-Format


Jutta Ditfurth

1. Die PDS und ihr Bündnis mit der rechtsextremen BFF
2. Hartz IV: Politische Zensur im Stadtparlament

Eine (wieder einmal) unterbrochene Rede.
Stadtverordnetenversammlung Frankfurt/Main vom 14. Oktober 2004

[Tagesordnungspunkte 8.1: Beteiligung der Stadt Frankfurt am Main zur Gründung einer Arbeitsgemeinschaft nach § 44 b Sozialgesetzbuch II und 8.2 Hartz IV: Kein Abbau regulärer Arbeitsplätze durch 1-Euro Jobs]

Guten Tag,

mein Beitrag hat zwei Teile. Im ersten Teil befasse ich mich mit der PDS und ihren Anträgen zur Hartz IV und den 1-Eurojobs aber auch mit dem Bündnis von FAG, Europaliste und PDS mit der rechtsextremen BFF-Fraktion; im zweiten Teil mit der Magistratsvorlage M 187 und der Durchsetzung der Politik der SPD-Grünen-Bundesregierung in Frankfurt am Main.

I.
Die Anträge der PDS sind zum Teil sonderbar. Manche Abschnitte sind korrekt, dann können wir zustimmen. Manche Passagen haben binnen weniger Tage merkwürdige Anpassungsprozesse durchlaufen. Haben da Euch die Sozis irgendwelche Hoffnungen gemacht?

Beispiel Antrag NR 1550 vom 5. Oktober 2004, Punkt 2:
Ihr wollt den Magistrat beauftragen, »die Verträge und Vereinbarungen mit der Bundesagentur für Arbeit neu zu verhandeln mit dem Ziel einer Kooperation, die der sozialen Verantwortung der Stadt Frankfurt, den Interessen der Betroffenen und dem Recht der Stadtverordnetenversammlung zur demokratischen Beschlussfassung und Kontrolle der Sozialpolitik gerecht wird.« OK. Aber sechs Tage später, im PDS-Antrag 1563 vom 11. Oktober 2004, waren alle Kriterien abgestürzt. Keine Rede mehr von einer breiten öffentlichen Diskussion und Anhörung von Gewerkschaften, freien Trägern, Wohlfahrtsverbänden. Wobei Ihr schon vorher die Organisationen der Arbeitslosen zu nennen vergessen hattet.

Mit Eurem Antrag 1564 latscht Ihr mal wieder in die reformistische Falle. Denn dieser PDS-Antrag geht davon aus, dass es die privatisierte GmbH und die ARGE [Arbeitsgemeinschaft nach § 44 b Sozialgesetzbuch II]gibt. Ihr streicht gleichsam die Folterkammer namens ARGE bunt an, als ob Ihr damit Disziplinierung und Unterwerfung und Zerstörung persönlicher Freiheit und autonomer Lebenschancen der Kinder und Jugendlichen mildern könntet.

Der PDS-Antrag 1487 ist ein Hammer: Die PDS lehnt nur noch »die Ausweitung von 1-Euro-Jobs (...) über den bisherigen Umfang im Rahmen des BSHG § 18 ff ab«. Das heißt, Ihr schluckt nun plötzlich die Zwangsarbeit samt Demütigungen und Rausschmiss aus dem Hilfebezug bei Verweigerung.
Auch an diesem Beispiel kann später einmal jeder interessierte Historiker anatomisch genau verfolgen, wie sich eine linke Partei nach rechts bewegt.
Dann die geballte Dummheit im 2. Absatz:
Die Stadt soll sicherstellen, »dass durch die Einrichtung von 1-Euro-Jobs keine tariflich entlohnten Arbeitsplätze abgebaut werden.« Schon mal was von struktureller Entwicklung gehört, in der diese Art von naivem Einzelnachweis so wenig möglich ist, wie der Nachweis von welcher Zigarette der Lungenkrebs stammt? Selbstverständlich werden die zuerst 750.000 1-Euro-Jobs auf Bundesebene und die anfänglich etwa 4.000 1-Euro-Jobs auf kommunaler Ebene einen ungeheuerlichen Druck auf sogenannte Normalarbeitsplätze entfalten und zwar ausschließlich zum Nachteil der Lohnarbeitenden!

Im Absatz 3 schließlich die offene Zustimmung der PDS zu 1-Euro-Jobs: sie sollen bloß nicht dauerhaft sondern befristet sein.

Was spielt die PDS für ein Spiel? Welche Rolle spielt sie in den Protesten gegen Agenda 2010 und Hartz IV? Mit wem macht sie dort welche Bündnisse?

Die PDS beklagt sich über die Benachteiligung der Opposition. Inhaltlich trifft die Kritik weitgehend zu. Was hier im Haus herrscht, ist eine Diktatur von Parteipolitikern der Viererbande ...

[Dazwischengebrüll von CDU-Stadtverordneten. Ermahnung des Stadtverordnetenvorstehers wegen des Gebrauchs des Wortes »Viererbande« für die Koalition aus CDU/SPD/FDP/Grünen. Ich weise darauf hin, dass dieser Begriff inzwischen im Parlament öfters gebraucht wurde und nicht mehr nun von mir, schließlich darf ich weiterreden.]

Stern

Ich habe den folgenden Konflikt direkt mit PDSlern -zigmal direkt angesprochen, erfolglos, ich gebe in dieser Hinsicht auf. Da wird nur wachsweich drumherum geredet. Also spreche ich jetzt Klartext über das, was an Bündnispolitik vollends unerträglich ist: Am 29. September 2004 haben FAG, Europaliste und PDS eine gemeinsame Pressekonferenz mit dem rechtsextremen BFF-Stadtverordneten Wolfgang Hübner veranstaltet. Das immer wieder auftauchende Bündnis zwischen PDS und der rechtsextremen BFF, das gemeingefährlich völkisch-populistische Hintertürchen, das die PDS da manchmal aufmacht, hat nicht nur im Osten des Landes bereits Teile der Bewegung gegen die Zerstörung des restlichen Sozialstaats vergiftet - siehe Montagsdemos! Oder siehe schon frühere Kooperationen von PDS-FunktionärInnen wie Christine Ostrowsky in Dresden mit Neonazis.

Unwidersprochen von den anderen Mitgliedern des Bündnisses konnte Wolfgang Hübner auf der Pressekonferenz das Parlament als »verwahrlost« bezeichnen. Das ist Nazi-Jargon. Ein »kleiner Vierer« hieß es über die Pressekonferenz in den Medien.

Es ist obszön: Sozialisten beklagen sich gemeinsam mit Rechtsextremen, dass sie von einer bürgerlichen Mehrheit schlecht behandelt werden. Soll Euch das bei kommenden Wahlen helfen? Das ist ein zu hoher, ein unbezahlbarer Preis!

Heiner Halberstadt, der Fraktionsvorsitzende der PDS, behauptete danach in einer Presseerklärung: Der Eindruck sei falsch, es werde keine Kooperation zwischen PDS und BFF angestrebt.

Richtig. Es gibt sie schon und nicht zum ersten Mal: Auch im Frankfurter Bündnis gegen das Cross Border Leasing, an dem wir vor allem deshalb nicht teilnahmen, weil attac Rechtsextreme so lange duldete und erst nach langem Streit und mit viel zu knapper Mehrheit ausschloß, gab es die Kooperation der PDS mit der BFF.[Nicht zu vergessen: bei der Aufstellung einer gemeinsamen Liste zur Wahl des ehrenamtlichen Magistrats zu Beginn der Wahlperiode wollte die PDS, dass die BFF/Wolfgang Hübner dabei ist. Das haben wir abgelehnt. Es kam eine Liste von PDS, Europaliste und ÖkoLinX-ARL zustande.]

In den Kommunalwahlkämpfen und -programmen von 1997 und 2001 haben Hübner und die BFF in ihren Programmen bewiesen, dass sie rechtsextrem sind. Ich muss die Details aus Zeitgründen hier weglassen.[Anmerkung: Im Rahmen der neonazistischen »Querfrontstrategie« dringt die BFF in letzten Jahren in bürgerlich-linke Bündnisse ein, wie z.B. in das Bürgerbegehren gegen das Cross-Border-Leasing oder in die Bewegung gegen die Flughafenerweiterung.]

Auf der website von attac bestritt Wolfgang Hübner (BFF) am 4. August 2003, dass er »ein 'Kampf- und Weggefährte Horst Mahlers'« war oder ist. Hübner und die BFF habe »1998/99« nur »für einen Volksentscheid über die generelle doppelte Staatsbürgerschaft im Rahmen einer 'Frankfurter Initiative'« gearbeitet, mit der »der damals noch keineswegs ins extreme Abseits geratene Horst Mahler Kontakt« aufgenommen habe.

Das ist eine doppelte Lüge. In zeitbedingter Kürze: Spätestens 1997 hat sich Mahler selbst als Faschist geoutet. 1998 trat er mehrfach als Referent bei der NPD auf und bei anderen faschistischen Organisationen in Deutschland und Österreich. 1999 galt Mahler in Nazi-Kreisen und in Nazi-Medien als Integrationsfigur und brauner Hoffnungsträger. Er sagte, die »Auschwitz-Keule« bedrohe die »Lebensinteressen unseres Volkes«. Er hetzte gegen Überfremdung, verteidigte Hitler, und sagte, dass das »jüdische Volk« der »Feind« der Deutschen sei.

Ich möchte Sie mit einem vertraulichen Dokument bekannt machen, das die Zusammenarbeit von Wolfgang Hübner und Horst Mahler belegt. Aus dem Protokoll der »Frankfurter Initiative« vom 13. und 14. März 1999 geht folgendes hervor: Zu den aktiven Teilnehmern des Bündnisses gehörten u.a.: Horst Mahler, Annemarie Paulitsch - bald darauf NPD-Vorsitzende in Offenbach, und Wolfgang Hübner als Versammlungsleiter. Es wurde über Vernetzung diskutiert, über strategische Ziele, und wie man gegen das Einwanderungsgesetz, die Reste des Asylrechts und gegen den Doppelpass vorgehen wollte. Man beschloss einen Verein zu gründen. »Vereinsname: Wir sind das Volk«. Die Betonung liegt wohl auf »Wir«. Geplant wurden - 1999! - »Montagsdemonstrationen«.

Horst Mahler übernahm das Juristische wie Satzungsentwürfe für den Verein und Demo-Anmeldung. Bei der Pressearbeit dachte man auch an die »Junge Freiheit«; Mahler, Mechtersheimer und Hübner sollten »die Publikationsorgane harmonisieren«. Wie man sieht, hat Horst Mahler keineswegs unverbindlich mit Herrn Hübner »Kontakt aufgenommen«.
Hat die PDS eigentlich Wolfgang Hübners Verteidigung von Martin Hohmanns Antisemitismus hier im Haus vergessen? Und all die anderen Äußerungen? Ist Euch das inzwischen alles gleichgültig?

Im Dezember 1998 hatte die faschistische »Junge Freiheit« angekündigt, dass Hübner und die BFF eine »Frankfurter Initiative« gegen die doppelte Staatsbürgerschaft gründen werden, die auch das Ziel habe, »Bündnisse zu schmieden«. Das ist Teil der sogenannten »Querfrontstrategie« der Nazi-Szene, über die ich aus Zeitgründen ein anderes Mal reden muss.

Was die PDS und die FAG und leider auch die Europaliste angeht, ist das »Bündnis« diesmal gelungen. Nazis versuchen in die Bewegung gegen die Flughafenerweiterung einzudringen, ist das der FAG egal? Die PDS will mit Hilfe völkischer Bündnisse Wahlerfolge? Ist das nicht ein viel zu hoher, abscheulicher Preis? So kann es keinen emanzipatorischen Erfolg im Kampf gegen Sozialterror geben.

[Hier war die Redezeit - 10 Minuten pro Rede - für den ersten Beitrag zum Tagesordnungspunkt zu Ende. Es folgte, nach Beiträgen anderer Stadtverordneter, Teil II.]

II.

Nun zum Magistratsvortrag M 187.
Mit Hartz IV wird die Armutsrutsche steiler gestellt, da hat Caritasdirektor Hartmut Fritz recht. Tarifverträge werden ausgehebelt, indem die rot-grüne Bundesregierung Arbeitslose zwingt, Arbeitsplätze auch dann anzunehmen, wenn die Löhne um 30 Prozent unter Tarif liegen. Arbeitslose können von staatlicher Hilfe nicht mehr leben. Nun zwingt man sie mit 1-Euro-Jobs in einen neuen Reichsarbeitsdienst! Hartz IV ist staatlich verordnete Zwangsarbeit. Aber das Bürgertum profitiert davon: es kriegt entrechtete, gedemütigte, superbillige neue Sklaven! ...

[Etwa hier brach wegen meiner Anspielung auf den Reichsarbeitsdienst Tumult aus. Gegen alle selbstgesetzten parlamentarischen Regeln unterbrach der CDU-Fraktionsvorsitzende Becker an dieser Stelle von einem Saalmikro aus meine Rede mit einem GO-Antrag - die Saalmikros funktionieren hingegen bei der linken Opposition meist nur dann, wenn ihr zuvor vom Stadtverordnetenvorsteher das Wort erteilt wird - und Becker sagte, er riefe jetzt den Ältestenausschuss ein. GO-Anträge werden am Ende eines Redebeitrags behandelt. Nur der Stadtverordnetenvorsteher kann eine Rede unterbrechen. Der stellvertretende Stadtverordnetenvorsteher war diesmal ein Grüner, der meine Rede zwar selbst nicht beanstandet hatte, aber die »Anweisung« seines CDU-Koalitionspartners rasch vollzog. Im Ältestenausschuss tobten sich dann CDU, SPD, Grüne, PDS, FAG mit Beschimpfungen aller Art gegen mich aus. Die Krone der Dummheiten war die Behauptung des grünen Fraktionsvorsitzenden Sikorsky, dass die Analogie zum Reichsarbeitsdienst eine »Relativierung des Faschismus« sei. Den NS-Faschismus kann aber nur relativieren, wer seinen Wesenskern verharmlost: die millionenfache Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden. Verharmlost wird der NS-Faschismus indem mensch z. B. 1998/1999 die Lage im Kosovo mit »Auschwitz« vergleicht, wie dies die Grünen getan haben, um den ersten deutschen Krieg nach 1945 zu ermöglichen und ihre Beteiligung daran zu rechtfertigen.
Nach der erzwungenen Unterbrechung und der Sitzung des Ältestenausschusses habe ich am Mikrofon sinngemäss erklärt:]

Hier wird politische Zensur ausgeübt. Ich werde meine Rede heute nicht fortsetzen. Sie wollen nur Beiträge zulassen, die ihren Positionen nicht widersprechen. Ich bin nicht für Ihre politischen Positionen in dieses Parlament gewählt worden, sondern für unsere! Sie wollen erzwingen, dass hier niemand über die gesellschaftlichen Folgen und die Rahmenbedingungen der Sozialdemontage durch die Bundesregierung reden kann. Sie wollen mich zwingen nur noch darüber zu reden, wie der Terror, der sich Sozialpolitik der Bundesregierung nennt, auf der kommunalen Ebene am besten um- und durchgesetzt wird. Da mache ich nicht mit. Ich bin keine bürgerliche Technokratin sondern eine Gegnerin dessen, was Sie hier treiben.


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